Projektauswahl für Profis

Wie wähle ich als Freiberufler meine Projekte aus?

Hallo Consulting-Coach Army,

der Jahreswechsel ist nun vollzogen und Ihr seid hoffentlich gut in das neue Jahr gerutscht.

Wie immer, am Anfang eines Jahres, wenn die Budgettöpfe der Firmen gut gefüllt sind, kommen zahlreiche Projektanfragen auf einen Freiberufler zu. Dies ist die beste Zeit des Jahres, denn als Freiberufler hat man nun die Möglichkeit aus einer Vielzahl an (hoffentlich) guten Projekten auswählen zu können. Doch der Auswahlprozess kann auch eine Qual sein, denn wie besagt das schöne Sprichwort „Wer die Wahl hat, hat die Qual“. 

Um euch diese Qual zu ersparen, handelt dieser Blogartikel darüber, wie ich persönlich meine Projekte auswähle und auf welche Kriterien ich persönlich dabei achte. Schließlich ist dies das erste (und wahrscheinlich größte) Projekt was ihr in diesem Geschäftsjahr annehmen werdet und da wollt ihr sicher das Optimum rausholen. 

Kommen wir zu den einzelnen Kriterien, welche bei der Auswahl von Projekten wichtig sind. Ihr seht weiter unten eine Liste, in der alle relevanten Kriterien aufgezählt sind. Die Kriterien sind willkürlich aufgezählt, d.h. Nr. 1 ist nicht das wichtigste Kriterium. Ihr müsst die Kriterien je nach eurer derzeitigen Lebenssituation selber gewichten. Dies kann euch niemand abnehmen  aber ich möchte euch natürlich helfen, in dem ich auf die Kriterien im einzelnen etwas eingehe und erkläre, was es wichtiges pro Kriterium zu beachten gibt und warum dieses Kriterium in der Liste steht. 

Worauf achte ich?

  1. Reisezeit
  2. Distanz/Erreichbarkeit zum Projektort 
  3. Dauer des Projektes 
  4. Anzahl der Tage pro Woche
  5. Inhaltlich ( passt es fachlich? Was wir von mir erwartet? ) 
  6. Position im Projekt (Berater, Lead, PM)
  7. Anbieter des Projektes

1)  Reisezeit

Die Reisezeit sollte in einem verhältnismäßig geringen Aufwand zur eigentlichen Arbeitszeit im Projekt stehen. Schließlich bezahlt euch das als Freiberufler keiner. 

Ein aktuelles Beispiel meinerseits: Ich habe momentan eine Projektangebot aus dem Raum München für 3 Tage die Woche. Ich wohne im Raum Hannover. Mit dem ICE brauche ich mind. 5,5h pro Strecke zum Kunden. D.h. ich habe mind. 11h Reisezeit pro Woche bei 24h Arbeitszeit im Projekt. Mir persönlich scheint dies kein gutes Verhältnis von Reisezeit zu Arbeitszeit zu sein, da ich fast 50% Reisezeit habe. Die Zeit könnte man besser nutzen. Ich habe das Projekt abgelehnt. Bei einem Vollzeitprojekt von 40h die Woche würde die Welt schon wieder anders aussehen, da die Reisezeit nur ~25% betragen würde. 

2) Distanz/Erreichbarkeit zum/vom Projektort

Die Distanz zum Einsatzort spielt eine Rolle hinsichtlich der Reisezeit, wie unter Punkt 1 genannt, und zusätzlich wie in diesem Punkt erklärt auch in Bezug zum gewählten Reisemittel (Bus, Auto ,Bahn, Flugzeug). 

Wieder ein aktuelles Beispiel meinerseits: Ich habe ein Projektangebot aus London erhalten. Der Standort ist 30 Minuten mit dem Zug von London-Heathrow entfernt. Für mich wäre es möglich in 30 Minuten in Hannover am Flughafen zu sein, 1,5h nach London zu fliegen und von dort in 30-45 Minuten beim Kunden zu sein. Im Vergleich zum Beispiel aus Kriterium 1, Projekt in München, wäre dies von der Reisezeit kürzer. Jedoch müsste ich für diesen Kunden das Flugzeug nehmen. Das Flugzeug wäre teurer und weniger flexibler bezüglich Stornierung. Solche Risiken muss ein guter Freiberufler einpreisen, da er meist auf den Kosten sitzen bleibt. Als Angestellter zahlt die Firma die Reisekosten. 

3) Dauer des Projekts 

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sollte das erste Projekt des Jahres das größte und Ergiebigste sein. Im besten Fall ernährt es euch das ganze Jahr. In vielen Angeboten die ich erhalte, steht die Klause „X Monate + Verlängerung möglich“. Der Zusatz „Verlängerung möglich“ löst bei mir keine zusätzlichen Emotionen oder Gedanken aus. Warum? Ganz einfach, erst mal muss die angestrebte Vertragslaufzeit „überlebt“ werden. Ich wurde auch schon für 6 Monate fix eingekauft und nach einem Monat aus politischen Gründen rausgeschmissen. D.h. ich habe nicht einmal die eigentliche Vertragsphase überlebt. Kompensation dafür gibt es meist nicht, schließlich sind die Verträge meist einseitig (vom Kunden) ohne Konsequenzen kündbar.

Niemand kann in die Zukunft schauen und unvorhersehbare Ereignisse können einen Jederzeit treffen. Von daher ist das Argument „langfristiges“ Projekt, welches Headhunter gerne nutzen um Stundensätze zu drücken, bei mir eher als „ja ja“ eingestuft. 

4) Anzahl der Tage pro Woche

Hier kommt es wieder ganz auf eure individuelle Präferenz an. Ich kenne Kollegen, die lieber das ganze Jahr nur 3-4 Tage die Woche arbeiten wollen, als 6 Monate am Stück Vollzeit. Hier spielen Faktoren wie Familie und Zeitmanagement mit rein. Je nach Lebenssituation kann das annehmen von einem oder zwei Projekten die mit 2-3 Tagen die Woche angegeben sind sinnvoller sein als ein Vollzeitprojekt. 

Wenn Ihr in Geldnot seid (was hoffentlich nie passiert), könnt ihr auch eine Zeit lang Samstags arbeiten. Nur zeiht dies nicht zu lange durch, Ihr seid keine Maschinen und der Mensch braucht Erholungsphasen. Beutet euch nicht selber aus, das ist es nicht wert. 

5) Inhaltliches zum Projekt

Passt das Projekt inhaltlich zu meinem Fähigkeiten und Erfahrungen? Stellt euch folgenden Fragen während der Sondierungsphase:

-Passen die erwarteten Fähigkeiten im Projekt zu meinem Können?

-Was wird von mir fachlich erwartet?

-Kann ich mich weiterentwickeln an den gestellten Aufgaben?

-Möchte ich mit dem Projekt nur Geld verdienen, oder auch neue Fähigkeiten erwerben?

6) Position im Projekt (Berater, Team Lead, Projektmanager, etc…)

Macht euch bevor ihr das Projekt annehmt bewusst, welche Rolle wird von euch im Projekt verlangt und was bedeutet das für euch? 

Stellt euch folgende Fragen:

-Welche Rolle soll ich im Projekt begleiten?

-Traue ich mir zu diese Rolle anzunehmen?

-Passt die Bezahlung im Bezug zur Rolle (Projektmanager werden besser bezahlt als normale Berater. Hab ich das im Stundensatz berücksichtigt?)

-Was wird menschlich von mir erwartet, zusätzlich zum fachlichen Teil.

7) Anbieter des Projekts

Macht euch klar, wer euch das Projekt anbietet. Habt ihr mit dieser Firma/Person schon zusammengearbeitet? Wenn ja, wie zufrieden wart ihr mit dem Vermittler? Hat die Bezahlung pünktlich und vollständig geklappt? Hat der Anbieter euch schon mehrere Projekte angeboten? 

Sollte dies nicht der Fall sein und ihr mit einem Vermittler zum ersten Mal zusammenarbeiten, dann prüft das Vertragliche und die Zahlungsziele. Tritt eine Sperre für den Endkunden ein, wenn ihr das Projekt verlasst? Wie sieht es mit Vertragsstrafen aus, auch im Bezug auf später festgestellte Scheinselbstständigkeit. Wer trägt die Kosten dafür?

Mit den hier genannten Punkten habt ihr einen guten Leitfaden dafür, wie ihr eure Projekte sondieren könnt und hoffentlich das Bestmögliche für euch raus holen könnt. Und nicht vergessen, in der Not frisst der Teufel fliegen! 😉

Ich wünsche euch allen ein erfolgreiches Geschäftsjahr!

Viele Grüße,

Sören, Dein Consulting-Coach!

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